Regina Scheer hat eine faszinierende Biografie über die Kommunistin Hertha Gordon-Walcher vorgelegt. Das Leben einer Revolutionärin portraitiert sie also – allein deswegen ist dieses Buch eine Pioniertat, zumal bei einer Frau aus der meist vergessenen zweiten Reihe der Revolution. Denn Frauen stehen in der Geschichte des seit jeher recht patriarchalen Kommunismus bis heute im Schatten oder werden wie Rosa Luxemburg oder Clara Zetkin besinnungslos glorifiziert. Für Hertha Gordon war die Arbeiterbewegung ein Aufstiegsversprechen. In eine einfache jüdische Familie geboren, erlebte sie in der Synagoge mit Hermann Vogelstein den gleichen Rabbiner, der später die zwölf Jahre jüngere Hannah Arendt prägen sollte. Doch Hertha empfand das Religiöse früh als rückschrittlich und distanzierte sich davon wie viele Juden in der internationalen Arbeiterbewegung, die andere Wege zur Emanzipation verhieß. Sie taucht also stattdessen ein in diese Sphäre, wird Zetkins Sekretärin und Teil der linken Radikalisierung im Ersten Weltkrieg. 1918 ist sie für mehrere Monate in Moskau, frisch nach Lenins Machtergreifung, alsbald wird sie natürlich so wie auch ihr späterer Mann Jacob Walcher KPD-Mitglied. Die Biografin zeichnet ein Leben zwischen Fraktionskämpfen und revolutionärer Arbeit, Geheimtinte und Kurierdiensten – bis zum Ausschluss aus der Partei 1928 nach deren stalinistischer Wende durch Thälmann, Zetkin und Co. Regina Scheer gelingt es, diese verschlungenen Pfade einer Revolutionärin nicht als bloßes Historienstück aufzuführen, sondern ohne nostalgische Revolutionsromantik auch als individuelles Lebensdrama, mit existenziellen Kämpfen um Ideologie, Utopie und Gewissen. Dafür wurde ihr 2023 der Sachbuchpreis der Leipziger Buchmesse verliehen. Wir gratulieren Regina Scheer und freuen uns, dass sie bei uns in der Alten Schulscheune liest
Kartenpreis (pro Person): 10.0€ (Abendkasse) 10.0€ (Vorverkauf)